Land
AdminTech

Was ist der Unterschied zwischen höherer Gewalt und Zufall?

Bestimmte Ereignisse werden sehr häufig mit höherer Gewalt verwechselt, stellen diese aber nicht dar, entweder weil das Ereignis vorhersehbar war oder weil eine Partei, die sich auf höhere Gewalt beruft, ihr unter den gegebenen Umständen hätte widerstehen können.
Höhere Gewalt und Zufall - was ist der Unterschied?
29.08.2024

Vertragsauflösung durch höhere Gewalt

In Handelsverträgen wird häufig festgelegt, dass die Parteien im Falle höherer Gewalt von der Haftung befreit sind. In diesem Blog werden wir analysieren und darlegen: 

  • Was ist höhere Gewalt? 
  • Was ist der Unterschied zwischen höherer Gewalt und Zufall? 
  • Welche Folgen hat dies für die Haftung der Parteien? 

Definition von höherer Gewalt 

Die Definition ist nicht leicht zu skizzieren, insbesondere weil die internationale Praxis und das ausländische Recht einen grossen Einfluss ausüben, der manchmal zu Verwirrung führt. So wurde beispielsweise die Gesundheitskrise COVID vom Pariser Handelsgericht als höhere Gewalt eingestuft, und zwar aus der Sicht des französischen Rechts. Wie steht es mit dem Schweizer Recht? 

Im Schweizer Obligationenrecht gibt es keine Definition von höherer Gewalt. Es handelt sich um den Grundsatz, der sich aus der Praxis, der Rechtsprechung und der Erfahrung ergibt, und nicht um einen bestimmten Rechtsbegriff. 

Höhere Gewalt ist ein aussergewöhnliches, unvorhersehbares und unüberwindbares äusseres Ereignis, das den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung des Vertrags und dem durch diese Verletzung verursachten Schaden unterbricht. 

Zufälliges Ereignis ist keine höhere Gewalt 

Es ist sehr wichtig, zwischen höherer Gewalt und einem Zufall zu unterscheiden. Letzteres entzieht sich zwar der menschlichen Voraussicht, ist aber mit dem eigentlichen Betrieb des Unternehmens in einer Weise verbunden, die vorhersehbar ist und unter Berücksichtigung der Umstände verhindert oder beherrscht werden kann. 

Beispielsweise ist ein Hagelschlag, der ein Auto beschädigt, das der Garagist ausserhalb der Garage abgestellt hat, keine höhere Gewalt, da der Garagist das Wetter durchaus vorhersehen und entsprechende vorbeugende Massnahmen ergreifen kann. Dasselbe gilt beispielsweise für die Explosion einer Maschine in einer Fabrik. Diese Ereignisse sind weder unvorhersehbar noch ausserhalb des Unternehmens. 

Folgen höherer Gewalt – nach dem Gesetz 

Die Folgen höherer Gewalt hängen davon ab, ob eine Klausel über höhere Gewalt in einem Vertrag enthalten ist oder nicht. Darüber hinaus ist zu klären, ob die Verhinderung der Leistungserbringung vorübergehend oder dauerhaft ist. 

Die Grundsätze des Schweizer Rechts lauten wie folgt: 

  • Es gibt keine Schadenshaftung bei höherer Gewalt, da die Haftung auf Verschulden beruht (Art. 97 OR), das in diesem Fall nicht vorliegt. Der Schuldner der Leistung ist jedoch nicht von seiner Haftung für die Schlechterfüllung des Vertrages befreit (nur die Nichterfüllung des Vertrages entgeht der Schadensersatzhaftung). 
  • Darüber hinaus führt die Befreiung von der Schadenshaftung an sich nicht zur Befreiung von der Leistungspflicht. Ein Vertrag, dessen Erfüllung endgültig nicht mehr möglich ist, wird hinfällig (Art. 119 OR). Dies ist nicht der Fall, wenn die Leistungen aufgrund eines Ereignisses höherer Gewalt einfach nutzlos geworden sind. 
  • Ist die Verhinderung hingegen nur vorübergehend, gelten die Regeln über den Verzug (Art. 107-109 OR) und der Leistungsgläubiger kann eine angemessene Frist zur Erfüllung setzen; andererseits wird der Vertrag aufgelöst. 
  • Im Falle einer Kündigung muss der Schuldner der Leistung somit alles zurückgeben, was er nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 62 OR) erhalten hat. 

Folgen höherer Gewalt – welche Vertragsfreiheit? 

Die oben genannten Bestimmungen des Obligationenrechts sind nicht zwingend. Die Parteien können in ihren Verträgen andere Regelungen vorsehen. 

Einerseits wird die Zahlungsverpflichtung von Banken und Hausverwaltungen bei Mietverträgen für Immobilien häufig von Klauseln über höhere Gewalt ausgenommen. In der Praxis bedeutet dieser Vorbehalt, dass die Verhinderung einer Zahlung nicht durch höhere Gewalt abgedeckt ist. 

Andererseits versuchen die Parteien oft: 

  • Die Fälle höherer Gewalt unter Berücksichtigung der Umstände und der Art der Leistungen zu definieren. 
  • Die Folgen und Fristen, die bei höherer Gewalt einzuhalten sind, zu bestimmen. 

Auch dürfen Vertragsklauseln nicht für alle Parteien gleich sein, vorbehaltlich des Verbraucherschutzes, der gesetzlich gegen Klauseln schützt, die gegen Treu und Glauben verstossen oder ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den gegenseitigen Leistungen aufweisen (Art. 8 UWG). 

Welche Alternativen zur höheren Gewalt gibt es? 

Selbst wenn keine höhere Gewalt vorliegt, kann es sein, dass die Erfüllung des Vertrags, die zwar möglich ist, aber exorbitant geworden ist. 

Der Rechtsgrundsatz clausula rebus sic stantibus ermöglicht es einer Partei, vom Vertrag zurückzutreten, wenn diese Situation während des Vertragsschlusses nicht vorhersehbar war. 

Diese Vertragspartei kann die Kündigung oder eine entsprechende Änderung des Vertrags beantragen oder sogar den Richter bitten, eine verbindliche Änderung des Vertrags auszusprechen. 

Empfehlungen 

Beachten Sie die folgenden Empfehlungen, um mit unvorhersehbaren Fällen in Ihren Verträgen besser handhaben zu können: 

  • Verwenden Sie eine Klausel über höhere Gewalt ohne sehr genaue Definitionen, um diese Fälle nicht auf die Zukunft zu beschränken. Beispielsweise war COVID in den Verträgen nicht vorgesehen und stellte eine neue Art von Ereignis höherer Gewalt dar. 
  • Verhandeln Sie mit der anderen Partei, bevor Sie einseitige Massnahmen ergreifen. Die Erbringung von Leistungen ohne Vorwarnung einzustellen, ist eine schlechte Lösung. 
  • Handeln Sie in gutem Glauben und machen Sie deutlich, warum Sie der anderen Partei die Verhinderung mitteilen. 
  • Achten Sie auf Klauseln in Ihrem Vertrag, die ein besonderes Verfahren oder eine spezielle Frist für den Fall höherer Gewalt vorsehen. 
contract
Erstellen Sie Ihren Kaufvertrag mit wenigen Klicks